MUSIK UND ENTSPANNUNG
Mag. Franz Wendtner
Musik zählt zu den ältesten Kulturgütern der Menschheit. Die ältesten als solche identifizierten Musikinstrumente werden auf ein Alter von 50 000 Jahren datiert (Spitzer, 2003). Dazu zählen Funde wie z. B. ein in der Ukraine gefundener Mammutschädel, der als Trommel verwendet wurde, oder Flöten aus Vogelknochen. Den Ursprung der Musikwirkung vermuten Forscher in einer bereits im Mutterleib stattfindenden Konditionierung des Fötus auf die akustischen Signale und Rhythmen im Mutterleib, wie den mütterlichen Herzschlag, ihren Atemrhythmus und die Sprache. Musik und Rhythmen entfalten direkt, unter Umgehung des Intellektes, eine affektive (gefühlsbezogene, nicht rationale) Wirkung auf uns und vermitteln emotionale Informationen (Panksepp, 2002).
Musik und ihre Wirkung
Musik spricht uns auf den verschiedenen Ebenen unseres Seins an und richtet sich direkt an den ganzen Menschen und seine körperlichen, emotionalen und geistigen Funktionen. Musik und ihre Rhythmen können Körper und Seele auf Grund der psychophysiologischen Wechselwirkungen aktivieren, aber auch beruhigen. Sie können die Stimmung positiv beeinflussen und trübsinnige Gedanken zurückdrängen. So wirken schnelles Tempo, häufige Tempowechsel und tänzerischer Dreiertakt anregend, während zweizeitige Taktarten in gleichmäßigem Tempo unterhalb der Herzfrequenz beruhigen. Laute Musik mit starken Akzenten stimuliert, sanfte, pulsierende Musik mit geringer Lautstärke entspannt. Weite, eher aufwärts gerichtete melodische Sprünge aktivieren, eher abwärts gerichtete Tonschritte dämpfen Erregung. Musik hilft bei Einsamkeit, kann von Sorgen und Problemen ablenken und das Gefühl des Dazugehörens, der Gemeinschaft vermitteln. Diese universellen Möglichkeiten setzt man im Rahmen aktiver und rezeptiver Musiktherapie – auch in Verbindung mit gesprochenen Entspannungsanleitungen – ein. Musik kann anxiolytisch (angstlösend) wirken, was in vielen klinischen Studien durch Analysen der entsprechenden Hormonspiegel belegt werden konnte. So kann Musik z. B. im Rahmen der Operationsvorbereitung angstinduzierte Verspannungen verringern und postoperativ eine Dosisreduktion von Sedativa und Analgetika (Beruhigungs- und Schmerzmedikamente) bewirken (Bernatzky et al., 2006; Miller, 2005). Eine umfassende Übersicht über psychophysiologische Effekte von Musik in der Anästhesie und Schmerztherapie findet sich bei Spintge (Spintge 1992).
Entspannung und ihre Wirkung
Entspannung tut vor allem dann wohl, wenn eine Stressbelastung vorliegt. Egal, ob in einer Alltagssituation, in Belastungs- und Prüfungssituationen, vor und nach Operationen, durch Schmerz oder Ängste hervorgerufen … diese Liste ließe fast beliebig verlängern. Vergleichbar und unabhängig von Musik wirkt auch Entspannung auf das Vegetativum. Gesprochene Entspannungsanleitung und Musik ergänzen einander synergistisch (sich gegenseitig fördernd). Auch in der Literatur bestätigt sich, dass ihre Verbindung für eine optimale Entspannung sehr gut geeignet ist (vgl. Kullich et al, 2003).
Stress
Beim Sport als Eustress erwünscht, in Gefahrensituationen – Disstress – überlebensnotwendig – als Dauerbelastung – ebenfalls Disstress – pathogen (krankheitserregend) bewirkt Stress vor allem als Dauerstress Schaden. Denn es kommt im Rahmen der individuellen Stressreaktion zu einer vegetativen und hormonellen Aktivierung, zu einer dauerhaften Alarmierung unseres Organismus, einer ständigen Bereitschaft ohne Ausführung, die langfristig zu Erschöpfung bis hin zu krank sein führt.
Unser Vegetativum
Unser vegetatives Nervensystem regelt unsere unbewusst ablaufenden, lebenswichtigen Vorgänge und Zustände innerhalb des Körpers und hält sie untereinander in einem dynamischen Gleichgewicht. Zu seinen zentralen Funktionen gehören u. a. die Regulation der Körpertemperatur, die Sauerstoffversorgung durch Atmung, Herzschlag und Blutkreislauf, die Steuerung der Blutzucker- und Hormonspiegel und die Kontrolle des Muskeltonus. Die entsprechenden Steuerungsvorgänge werden durch überregional wirkende Zentren im Gehirn aktiviert bzw. gehemmt. Dabei sind der Thalamus, unser „Tor des Bewusstseins“ , der Hypothalamus und die Hypophyse – die Zentrale der Hormonsteuerung, sowie das Limbische System – hier werden unsere Gefühle generiert – von entscheidender Bedeutung (Hesse 2003). Im Limbischen System werden die von den Sinnesorganen einlangenden Informationen (chemisch-elektrische Potentiale) vor dem Hintergrund früher gemachter Erfahrungen bewertet, es kommt eine Gefühlstönung – Freude, Glück oder auch Angst, Wut .. – zur Sinnesempfindung hinzu. Erregende Ereignisse kurbeln den Stoffwechsel an, Ruhe und Zufriedenheit dagegen entspannen die Muskulatur und die inneren Organe, der Mensch kann sich erholen. Gibt man sich nun angenehm empfundener Musik hin, können sich durch Ängste oder Schmerzen ausgelöste Verspannungen lockern. Das durch die angenehme Musik unmittelbar angesprochene Limbische System leitet eine Muskelrelaxation ein, es kommt nach und nach zu einem angenehmen Wärmegefühl. Parallel balancieren sich weitere vom Vegetativum gesteuerten Prozesse aus. Das Herz-Kreislaufsystem und die Atmung harmonisieren sich, die Ausschüttung von Stresshormonen und Botenstoffen wie Adrenalin, ACTH und Cortisol nehmen ab, der Grundumsatz geht zurück, das Wohlbefinden nimmt zu. Wie bereits weiter oben angeführt, kann dieser Effekt durch die Kombination von Musik mit einer Entspannungsanleitung deutlich verbessert werden.
Forschung
Aktuell (Jänner 2013) findet man unter www.pubmed.com mehr als 14600 Einträge zum Thema Musik und mehr als 15800 Einträge zu „relaxation therapy“ (Entspannungstherapie) aus den Bereichen Medizin, Psychologie und Biologie. Dr. Günther Bernatzky, Biologe, Professor an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg und derzeit Präsident der Österreichischen Schmerzgesellschaft, beforscht diese Gebiete mit dem Schwerpunkt Schmerz intensiv seit über 30 Jahren. In unserer langjährigen Zusammenarbeit entstanden mehrere Studien und mit der Zeit auch die Absicht, Erkenntnisse aus Forschung und Praxis in die Realität umzusetzen und für Betroffene nutzbar zu machen. Wir nahmen auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse beruhende und für die therapeutische Anwendung optimierte CD´s auf.
Entspannung bei Schmerzen (ISBN: 978-3-9502441-1-3)
Diese wissenschaftlich getestete CD wurde mit dem Schwerpunkt auf Schmerzlinderung entwickelt und hat sich in jahrelangem Einsatz nicht nur bei akuten und vor allem chronischen Schmerzen bewährt, sie wird auch bei anderen Beschwerdebildern und hohem Stresserleben erfolgreich angewandt. In einer Untersuchung an frisch operierten Patienten zeigte sich eine Reduktion der benötigten Schmerzmedikation um mehr als 50%, und eine Reduktion der benötigten Beruhigungs- und Schlafmedikation um mehr als 60% bei jenen Patienten, die diese CD hörten (Miller, 2005).
Ihre Wirkung wurde auch an 65 Patienten mit schmerzhaften Wirbelsäulensyndromen (Low back pain) – randomisiert entweder einer Gruppe mit Musik und Entspannungsanleitung und einer standardisierten physikalischen Therapie oder einer zweiten Gruppe ohne additive Musikanwendung zugeteilt – während eines dreiwöchigen stationären Rehabilitationsverfahrens untersucht. Es zeigte sich, dass sich sowohl das globale Schmerzempfinden, als auch der Druckschmerz an der Wirbelsäule unter der Musiktherapie signifikant verbesserte, auch die Schlafqualität hochsignifikant stieg. Ebenso konnte die subjektive Behinderung in der Gruppe der Musikanwender signifikant deutlicher gebessert werden. (Kullich und Kollegen, 2003)
Musik für Parkinsonpatienten (ISBN: 978-3-9502441-2-0)
Diese CD entstand ebenfalls in der Arbeitsgruppe um Univ.-Prof. G. Bernatzky mit finanzieller Unterstützung durch die Parkinson Selbsthilfe Österreich Dachverband. Wissenschaftlich getestet (Bernatzky und Kollegen, 2004) zeigt sich, dass stimulierende Musik für Parkinsonpatienten Hilfe zur Selbsthilfe ist: Sie hilft, Anlaufschwierigkeiten beim Aufstehen und Losgehen deutlich zu verringern, Bewegungen präziser auszuführen und die Stimmung aufzuhellen. Alle Künstler haben auf ihre Gage verzichtet, der Reinerlös kommt der Selbsthilfe Parkinson Österreich Dachverband zugute.
Entspannung bei Stress (ISBN: 978-3-9502441-4-4)
Diese CD wurde für Menschen entwickelt, die unter subjektiv hoher Belastung stehen und einen angenehmen, nebenwirkungsfreien Weg zur Stressreduktion beschreiten wollen. Robert Kovar und Armin Wenger ließen sich bei der Komposition der Musik von der Entspannungsanleitung inspirieren. Die Musik, Meereswellen und die tiefenpsychologisch fundierte Entspannungsanleitung reduzieren stressbedingte Belastungen und fördern Regeneration.
Die CD´s sind in den Apotheken und im Buchhandel erhältlich oder dort zu bestellen.
Exklusiv für Mitglieder der Österreichischen Qigonggesellschaft sind diese CD´s im Rahmen einer Sonderedition für die ÖQGG zu einem reduzierten Preis erhältlich. Bestellungen bitte unter Österreichischeqigonggesellschaft@gmx.at
Literatur
Spitzer M (2003) Musik im Kopf. Schattauer, Stuttgart
Panksepp J, Bernatzky G (2002) Emotional sounds and the brain: the neuro-affective foundations of musical appreciation. Behav Processes 60: 133–155
Spintge R, Droh R (1992) Musik-Medizin. Physiologische Grundlagen und praktische Anwendungen. Gustav Fischer, Stuttgart Jena New York
Kullich W, Bernatzky G, Hesse H-P, Wendtner F, Likar R, Klein G (2003). Musiktherapie – Wirkung auf Schmerz, Schlaf und Lebensqualität bei Low Back Pain. Wien Med Wochenschr 153: 217–221
Bernatzky G., Wendtner F., Bernatzky P., Kulllich W., Likar R. (2006) Therapeutische Anwendung von Musik und Entspannungsanleitung bei Patienten mit Schmerzen und von Musik allein bei Patienten mit Morbus Parkinson. Musik-, Tanz- und Kunsttherapie 17(4), 178-186
Miller K., G. Bernatzky (2005) Purpose of music and relaxation for health promotion after bariatric surgical procedure. Prospective, randomized study. 22nd Annual Meeting of the American Soc. For Bariatric Surg. (26.6.-1.7.05)
Bernatzky G, Bernatzky P, Hesse, H-P, Staffen W, & Ladurner G. 2004. Stimulating music increases motor coordination in patients afflicted with Morbus Parkinson. Neuroscience Letters 361.pp 4-8.
Hesse HP (2003) Musik und Emotion. Wissenschaftliche Grundlagen des Musik-Erlebens. Springer, Wien New York
Weitere Literatur beim Verfasser