Qigong hebt die Lebensqualität bei Krebs
Mag. Franz Wendtner
Auf die Krankheit Krebs in ihren verschiedenen Ausprägungen und auch ihre Behandlungsformen wurde bereits in früher erschienenen Periodika (1, 2) eingegangen. Ein weiteres Mal soll der Schwerpunkt auf dem Konzept der Lebensqualität der Betroffenen und die Wirkung von Qigong darauf im Mittelpunkt stehen. Wie Oh und Kollegen(3) in Australien untersuchten Dr. C. Schmauser und Kollegen (4) in der BRD den Einfluss von Qigong auf die Lebensqualität onkologischer Patienten und fanden eindeutige Ergebnisse. Die Studie „Einfluss des Qigong auf die Lebensqualität onkologischer Patienten“ ist als elektronischer Sonderdruck vom Springer Verlag auf der Homepage der Erstautorin – in Deutsch – zu lesen (und downzuloaden) und wurde 2012 in der Zeitschrift Forum, dem offiziellen Magazin der Deutschen Krebsgesellschaft, veröffentlicht.
Zusammenfassung
Mit Hilfe des Fragebogens zur Lebensqualität EORTC QLQ-C30 wurden die Daten von 66 Qigong übenden Patienten im Alter von unter 40 bis über 80 Jahren über einen Zeitraum von 10 Wochen in 3 Messzeitpunkten (Woche 1, Woche 5, Woche 10)erfasst. In allen Teilbereichen wurden signifikante Verbesserungen festgestellt. Die globale Lebensqualität stieg vom Beginn der Untersuchung bis zu ihrem Ende um 60%. Diese Ergebnisse unterstützen die Forderungen nach weiterführenden, methodisch umfassenden Untersuchungen zur Wirkung von Qigong bei Krebspatienten.
Lebensqualität als Konzept
Als eigenständiger Begriff – „Quality of Life“ – wurde „Lebensqualität“ das erste Mal in den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts von Arthur C. Pigou verwendet. 1964 dann vom späteren US – Präsidenten Lyndon B. Johnson, populär wurde er in den 70er-Jahren, seit den 80er-Jahren findet er auch in der Medizin zunehmend Verwendung – hier vor allem im Zusammenhang mit chronischen Erkrankungen. Laut WHO ist Lebensqualität recht allgemein formuliert: „… die subjektive Wahrnehmung einer Person über ihre Stellung im Leben in Relation zur Kultur und den Wertsystemen in denen sie lebt und in Bezug auf ihre Ziele, Erwartungen, Standards und Anliegen.“ (5).
Lebensqualität bei Krebs
Der Begriff Lebensqualität umfasst für Krebspatienten enorm viele Facetten. Er ist nach der Überlebenszeit das wichtigste Behandlungsziel der Betroffenen „ Dies gilt von der Diagnosestellung an für den gesamten Krankheits- und Behandlungsverlauf.“ (6). Für viele Betroffene bezieht sich Lebensqualität in erster Linie auf das körperliche Wohlbefinden während und nach ihrer Therapie, aber mehr und mehr rücken auch das emotionale und soziale Wohlbefinden in den Fokus.
Messung von Lebensqualität bei Krebs
Ein Standardinstrument zur Erhebung der Lebensqualität ist der QLQ EORTC-C30 (7). Bei diesem Selbstbeurteilungsfragebogen handelt es sich um ein in 81 Sprachen übersetztes und validiertes (bezieht sich auf den Nachweis der Reproduzierbarkeit eines Ergebnisses) und bisher in mehr als 3000 Studien weltweit eingesetztes Instrument. Mittlerweile gibt es auch Module für bestimmte Krebsarten. Der QLQ EORTC-C30 fragt in 30 Einzelitems u. a. die folgenden Skalen ab: Funktioneller Status, Arbeitsfähigkeit/Rollenerfüllung, kognitive Beeinträchtigung, sowie allgemeine Symptome wie Schlaflosigkeit, Müdigkeit/Abgeschlagenheit, Übelkeit und Erbrechen, Schmerzen usw. Die „Item range“, die Differenz zwischen der minimalen und maximalen Ausprägung der abgefragten Symptome, reicht von 1 – 4, die Item range für die globale Einschätzung der Lebensqualität und des Gesundheitszustandes von 1 -7.
Untersuchung
Die in China in der Therapie und Rehabilitation von Krebspatienten angestrebte Dauer des Qigong liegt bei 4 – 6 Stunden pro Tag. Ein Aufwand an Zeit und Motivation, der von den Patienten in unseren Breiten kaum realisiert wird. Aus diesem Grund wurde untersucht, ob auch eine kürzere Anwendung von Qigong signifikante Einflüsse auf die Lebensqualität erbringen kann. Ein möglicher Einfluss auf die jeweilige Krebserkrankung selbst – wie sie in China durchaus angestrebt wird – wurde nicht untersucht.
Studienpopulation / Daten
66 Patienten aus zwei gynäkologischen und einer allgemein-onkologischen Praxis nahmen an der Untersuchung teil. Aus dem Artikel geht nicht hervor, ob auch männliche Patienten teilnahmen. Das Alter der Patienten erstreckte sich von unter 40 Jahren (4%) bis über 80 Jahre (3%), bei 70% der Teilnehmer lag es zwischen 50 und 69 Jahren. 74% der Patienten wurden wegen eines Mammakarzinoms (Brustkrebs) behandelt, 26% wegen anderer Tumorerkrankungen. Rund ein Viertel der Teilnehmer war in der Nachsorge, ca. 76% wurden in adjuvanter (=begleitend) und kurativer (= mit der Absicht zu heilen) Zielsetzung behandelt. 29% erhielten eine Chemotherapie, 18% eine Hormon- und 18% eine Immuntherapie, es kamen auch andere Therapieformen zur Anwendung. Bei 86% lag eine Erstmanifestation vor.
Ablauf
Es wurde folgendes Design eingesetzt:
- Mit den Teilnehmern wurde vereinbart, regelmäßig einmal wöchentlich 90 Minuten unter Anleitung einer erfahrenen Qigongtherapeutin in Patientengruppen von maximal 10 Personen zu üben. Die Untersuchung erstreckte sich über 10 Wochen.
- Zuhause war selbständig an mindestens 5 Tagen pro Woche mindestens 30 Minuten zu üben.
Alle Übungen waren so gewählt, dass sie auch diejenigen Teilnehmer, welche stärkere krankheitsbezogene Einschränkungen aufwiesen, gut bewältigen konnten.
Ergebnisse
Zur Auswertung der Resultate kam eine Varianzanalyse mit Messwiederholung (ANOVA) zur Anwendung. Die Untersuchung ergab keine signifikanten Unterschiede zwischen Therapie- und Nachsorgepatienten. Weder das Alter noch die Metastasierung hatten einen statistisch bedeutsamen Einfluss auf die Entwicklung der Lebensqualität, individuell stark belastende Therapien allerdings schon.
Für alle vier Teilbereiche des EORTC QLQ-C30 – Funktionen, Skalen, die Einzelitems und die globale Lebensqualität – wurden erhebliche und statistisch signifikante Verbesserungen festgestellt.
Die in Prozent ausgedrückten Verbesserungen über die drei Messzeitpunkte sind beeindruckend.
So verbesserte sich die körperliche Funktion um 25%, die Rollenfunktion um 34,6% und die Soziale Funktion um 36,4% von Woche eins bis Woche 10. Die deutlichsten Anstiege zeigten sich aber in der kognitiven Funktion – diese stieg um 51,2% und in der emotionalen Funktion mit 99,7%.
Bedenkt man, dass das Phänomen des „Chemobrain“ (8) – in der Regel reversible (= sich wieder zurückbildende) kognitive Defizite – von einer Reihe von Patienten angegeben wird, legen die Ergebnisse dieser Untersuchung die Vermutung nahe, dass dieses Problem – wie auch in der Literatur beschrieben (9) – durch das Üben von Qigong reduziert werden kann.
Besonders aber die emotionale Funktion, welche den mit Abstand schlechtesten Ausgangswert aufwies, verbesserte sich mit 99,7% am deutlichsten. Dazu dürfte zwar wohl auch der regelmäßige Besuch der Gruppen beigetragen haben, aber der Gewinn für die Stabilisierung der psychischen Situation der Patienten ist offensichtlich und trägt maßgeblich zur Steigerung der Lebensqualität bei.
Schlussfolgerungen
Sowohl die Untersuchungen von Oh und Kollegen (9), (für 3 -siehe Periodikum 29.2/2010) als auch die Ergebnisse der eigenen Erhebung an der Universitätsklinik für Innere Medizin III der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (1) unterstützen die Resultate der hier referierten Studie. „Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Qigong geeignet ist, als nebenwirkungsfreier und kosten-günstiger Weg zur Förderung der Lebensqualität und Zufriedenheit von Tumorpatienten und ihren Angehörigen beizutragen.“ (Wendtner 2012, S.8 ).
Die Autoren der Studie kommen u. a. zu dem Schluss, dass die signifikanten Ergebnisse es wünschenswert erscheinen lassen, weitere Untersuchungen – mit Kontrollgruppen und längeren Untersuchungszeiträumen – durchzuführen. Auch, dass Qigong die Lebensqualität der teilnehmenden Patienten in fast allen abgefragten Teilbereichen deutlich verbessert hat und Qigong sich als ein wirksamer Baustein eines integrativen Behandlungs- und Betreuungskonzeptes erwiesen hat.
So bleibt als Essenz zu fordern, dass die angesprochenen Untersuchungen auch tatsächlich durchgeführt werden, damit eine – s. o. – nebenwirkungsfreie, kostengünstige und vor allem wirksame Methode zum Zugewinn von Lebensqualität für Krebspatienten einen Stellenwert erfährt, der es zuweisenden Instanzen und Kostenträgern ermöglicht, Qigong in Behandlungskonzepte aufzunehmen und zu finanzieren.
Literatur
- Wendtner F. (2012) Qigong an der Universitätsklinik für Innere Medizin III der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU) Salzburg. Periodikum 32.1/2012 der Österreichischen Qigonggesellschaft, Wien
- Wendtner F. (2010) Qigong und Lebensqualität bei Krebs. Periodikum 29.2/2012 der Österreichischen Qigonggesellschaft, Wien
- Oh, P. Butow, S. Clarke, P. Beale, N. Pavlakis, E. Kothe, L, Lam and D. Rosenthal. (2010) “Impact of Medical Qigong an quality of life, fatigue, mood and inflammation in cancer patients: a randomized controlled trial” Ann Oncol 2010 March; 21(3). 608 – 614.
- Schmauser , Kilian D. & Fischer M.: „Einfluss des Qigong auf die Lebensqualität onkologischer Patienten“. Forum. Offizielles Magazin der Deutschen Krebsgesellschaft, Heft 04, 2012, Bd. 27, Springer Medizin, 287-291.
- WHO, 1993.
- Küchler T, Flechtner H, Herschbach P (2011) Zum Stand der Lebensqualitätsmessung in der Onkologie. uni-kiel.de/qol-center
- Aaronson NK, Ahmedzai S, Bergman B, Bullinger M, Cull A, Duez NJ, Filiberti A, Flechtner H, Fleishman SB, de Haes JC. et al. (1993) The European Organization for Research and Treatment of Cancer QLQ-C30: a quality-of-life instrument for use in international clinical trials in oncology. Journal of the National Cancer Institute. 1993;85(5):365–376.
- O’Farrell E, MacKenzie J, Collins B. (2013) Clearing the air: a review of our current understanding of „chemo fog“. Curr Oncol Rep. 2013 Jun;15(3):260-9.
- Oh B, Butow PN, Mullan BA, Clarke SJ, Beale PJ, Pavlakis N, Lee MS, Rosenthal DS, Larkey L, Vardy J. (2012) Effect of medical Qigong on cognitive function, quality of life, and a biomarker of inflammation in cancer patients: a randomized controlled trial. Support Care Cancer. 2012 Jun;20(6):1235-42.