Qigong und COVID-19
Mag. Franz Wendtner
COVID-19
COVID-19 ist eine Pandemie, die ihren Ursprung allem Anschein nach in China, in Wuhan, der Hauptstadt der Provinz Hubei, haben dürfte. Der Konjunktiv wurde gewählt, weil von seriösen, wissenschaftlich zumindest nachvollziehbaren bis hin zu reinen Verschwörungstheorien viele Meinungen zur Entstehung dieser weltumspannenden Seuche existieren. Mit Stichtag 4.6.2021 beläuft sich die Zahl der bestätigten COVID-Infektionen auf mehr als 172 Millionen Patienten, die Zahl der Todesopfer im Zusammenhang mit der Erkrankung auf mehr als 3,7 Millionen Menschen. Das Virus hat sich bis dato in mehr als 190 Ländern weltweit ausgebreitet.
Für mehr und detailliertere Information: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1103240/umfrage/entwicklung-der-weltweiten-todesfaelle-aufgrund-des-coronavirus/
COVID-19 ist eine ansteckende, vom SARS-CoV-2 (Schweres Akutes Atemwegssyndrom Coronavirus) verursachte Erkrankung, deren hauptsächliche Symptome Fieber, Husten Kopfschmerzen, Atembeschwerden und – typischerweise – Geruchs-und Geschmacksverlust sind. Die Symptome zeigen sich ein bis vierzehn Tage nach der Ansteckung und können bei ca. einem Drittel der Infizierten kaum oder auch gar nicht zum Ausbruch kommen. 81% der Infizierten entwickeln leichte bis mittelschwere Symptome, bis zu 14% schwere Symptome und rund 5% der Betroffenen leiden an kritischen Symptomen wie Atemversagen oder Multiorganversagen. Ältere Menschen haben ein größeres Risiko, schwere Symptome zu entwickeln und an der Infektion zu versterben als junge Patienten. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus leiden viele Patienten auch nach zwei und mehr Monaten noch unter Krankheitsfolgen bis hin zu – bleibenden – Organschäden. Einer Studie der Universitätsklinik Köln und des King´s College London zufolge gilt Vergleichbares auch für ambulante Patienten, die noch sechs Monate nach der Infektion an LONG COVID leiden. Hauptsächlich werden schwerwiegende Lungenschäden (bei hospitalisierten Patienten), Entzündungsreaktionen, Organschäden und neurologische Störungen berichtet. Vor allem die POST-COVID FATIGUE (Fatigue = chronische Erschöpfung, Müdigkeit) tritt häufig auch bei milden Verläufen auf und kann sich über Monate hinziehen. Genaue Zahlen zu LONG COVID existieren allerdings nicht.
Für mehr und detailliertere Information: https://de.wikipedia.org/wiki/COVID-19
Hilft Qigong bei COVID-19?
Ja – wie eine Studie aus China belegt. Yunliang Tang und Kollegen untersuchten die Wirkung von LIUZIJUE – im Westen als „die 6 heilenden Laute“ bekannt – bei aus dem Krankenhaus entlassenen COVID-19 Patienten und kamen zu ermutigenden Ergebnissen. Die Originalpublikation der hier zitierten, 2021 veröffentlichten Untersuchung ist über Pubmed (nih.gov) für alle Leser die sich detailliert informieren wollen, kostenfrei downloadbar.
Zur Studie
„Liuzijue“ – die sechs heilenden Laute – scheint die in der historischen Literatur zu Qigong meistzitierte Übungsform zu sein. Der Schwerpunkt liegt auf dem Tönen von sechs Lauten (xu, he, hu, si, chui, xi) während der Ausatmung in Verbindung mit korrespondierenden meditativen Bewegungen. Tang et al fanden Studien, die eine Verbesserung der Atemfunktion und eine gestiegene Lebensqualität (engl: Quality of life, QoL) bei COPD Patienten (COPD = Chronic Obstructive Pulmonary Disease – siehe auch Periodikum 2/2011) nachwiesen. Bei COPD handelt es sich um eine chronische, obstruktive (= den Atemfluss behindernde) – im Volksmund auch „Raucherlunge“ genannte – fortschreitende Lungenerkrankung. Das legte nahe, dass die Liuzijue auch COVID-19 Patienten helfen konnten.
So wurde nach der Inklusion von 33 aus verschiedenen Kliniken entlassenen Patienten (n=17) und Patientinnen (n=16) im Alter von 43,2 ± 10,4 Jahren eine multizentrische, prospektive (auf die Zukunft gerichtete) selbstkontrollierte (bedeutet in diesem Fall: von den Teilnehmern zuhause geübtes Qigong) Studie durchgeführt. 28 von ihnen wiesen milde/moderate, 5 von ihnen ernsthafte/kritische Symptome auf. Die Patenten waren angewiesen, Liuzijue vier Wochen lang ein Mal pro Tag für 20 Minuten zu üben.
Methoden/Instrumente
Erhoben wurden die respiratorische muskuläre Funktion MIP (maximal inspiratory pressure) – ein Marker der Atemmuskelfunktion und Kraft, PIF (peak inspiratory flow) – die schnellstmögliche Durchflussrate während des Inspiratorischen (= die Einatmung betreffend) Zyklus, sowie die Membrandicke (DT) und Beweglichkeit des Zwerchfells (DM). Außerdem wurde der 6-Minute-Walk-Test (6MWT) durchgeführt – dabei wird gemessen, wie schnell ein Proband in 6 Minuten über einen flachen, harten Untergrund gehen kann. Darüber hinaus wurde die Lebensqualität (QoL) per Short Form 36 Item Health Survey (SF36) gemessen und an psychologisch relevanten Daten die Werte für Depression und Angst per Hamilton Depression Rating Scale (HAMD) und Hamilton Anxiety Rating Scale (HAMA) erhoben. Gemessen wurde vor Beginn der Studie und nach deren Ende. Ein P-Wert von P<.05 wurde als statistisch signifikant bewertet. (P = engl.: probability value, damit misst man, ob die erhaltenen Ergebnisse nicht nur auf einen Zufall zurückzuführen sind).
Ergebnisse
Respiratorische Funktion: Nach 4 Wochen waren MIP (P<.001), PIF (P<.001) und 6MTW (P=.020) signifikant verbessert, ebenso die Atemnot (P<.05).
Lebensqualität: Auf 2 Teilskalen des SF36, PF (PF = physical functioning => Vitalität) und RP (RP = role –physical functioning => Körperliche Funktionsfähigkeit) zeigten sich signifikante Verbesserungen (P = .05)
Mentaler Status: Zur Erfassung von Angst und Depression wurden HAMA und HAMD eingesetzt. Bei beiden Messinstrumenten zeigten sich signifikante Verbesserungen: HAMA P<.001, HAMD P=.0032
Diskussion
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Lebensqualität der aus dem Krankenhaus entlassenen Patienten erheblich beeinträchtigt war und sich durch das 4-wöchige Üben von Liuzijue maßgeblich verbesserte. Mit dieser Untersuchung wurde auch gezeigt, wie wichtig rehabilitative und vor allem sichere Maßnahmen wie Qigong zur Verbesserung der Situation von (LONG-) COVID-19 Patienten sein können. Auch wenn die Aussagekraft der Studie durch die kleine Teilnehmerzahl und die Selbstkontrolle begrenzt wird, können ihre Ergebnisse Betroffene ermutigen, selbstständig, sicher und erfolgreich etwas zur Hebung ihrer Lebensqualität und ihrer Genesung beizutragen.
Literatur
Tang Y, Jiang J, Shen P, Li M, You H, Liu C, Chen L, Wang Z, Zhou C, Feng Z. (2021) Liuzijue is a promising exercise option for rehabilitating discharged COVID-19 patients. Medicine 2021;100:6(e24564). http://dx.doi.org/10.1097/MD.0000000000024564