Qigong und Bluthochdruck
Mag. Franz Wendtner
Bluthochdruck ist die Zivilisationskrankheit Nr. 1 in den westlichen Industrienationen und wird vielfach ausschließlich medikamentös eingestellt. Dabei gibt es auch andere Wege. Einer davon ist Qigong. Und aktuelle Untersuchungen und Meta – Analysen bestätigen, daß Qigong – auch, wenn es noch nicht einmal ein Jahr lang ausgeführt wird – bereits eine blutdrucksenkende Wirkung haben kann. Und das ganz ohne Nebenwirkungen …
Unser Herz
Unser Herz gilt als unser emotionales Zentrum und auch als der Sitz unserer stärksten Gefühle. Es kann vor Liebe zerspringen, vor Schmerz brechen oder im Sturm erobert werden. Es kann verschlossen oder für jemand offen sein, wir können etwas aus vollem Herzen tun, jemanden von Herzen gern haben oder ihm unser Herz ausschütten. Manchmal tut uns das Herz weh oder es schlägt uns bis zum Hals, manchmal fällt uns ein Stein vom Herzen, dann ist uns hoffentlich wieder leicht ums Herz …
Naturwissenschaftlich betrachtet ist unser Herz ein unermüdlicher, gut faustgroßer Hohlmuskel. Es liegt beim Menschen leicht nach links versetzt hinter dem Brustbein und wiegt im Normalfall zwischen 300 und 350 g. Es pumpt pro Minute durchschnittlich 4,5 – 5 Liter Blut und kann bei großer Anstrengung mehr als 20 Liter pro Minute bewegen. Dabei schlägt es zwischen rund 60x und unter Vollast (bei trainierten Sportlern) bis zu über 200x pro Minute. Von der Funktion her entspricht es einer Saug – Druck – Pumpe mit zwei hintereinander arbeitenden Systemen, bestehend aus je einem Vorhof und einer Herzkammer. Aus dem venösen Blutkreislauf gelangt das „verbrauchte“ Blut während der „Diastole“ (bei der Messung des Blutdruckes der „untere“, niedrigere Wert) zuerst in den rechten Vorhof, dann in die rechte Herzkammer und wird von dort weiterbefördert in den Lungenkreislauf, wo in den Lungenbläschen der Gasaustausch und die Anreicherung mit Sauerstoff erfolgt. Von der Lunge kommt das Blut in den linken Vorhof und weiter in die linke Herzkammer. Von dort wird es in der Systole (bei der Messung des Blutdruckes der „obere“ höhere Wert) über die Aorta in den Körper gepumpt. Dies geschieht in einem bestimmten Rhythmus, der in der Regel über den Sinusknoten im linken Vorhof reguliert wird, der wiederum der Regulation durch das Vegetativum – unserem autonomen Nervensystem – unterliegt.
Auf die komplexen psychologischen und psychosomatischen Zusammenhänge, in die unser Herz eingebunden ist, möchte ich ein anderes Mal eingehen.
Darauf, daß unser Herz vor allem aus der Sicht von Qigong noch wesentlich mehr und umfassendere Aufgaben als oben angeführt wahrnimmt, möchte ich an dieser Stelle ganz klar hinweisen. Nur, das ist halt in naturwissenschaftlich angelegten Studien oft schwer oder einfach gar nicht nachweisbar….
Blutdruck
Als Blutdruck bezeichnet man den vom Herz erzeugten Druck, mittels dessen das gesamte Blutvolumen durch die Arterien (Schlagadern) gedrückt wird. Er wird als mmHg gemessen
(= Millimeter Quecksilbersäule) und gilt als normoton (optimal), wenn er 120/80 beträgt. Von Hypotonie (zu niedrig) spricht man bei einem Wert von 100/65 und von Hypertonie (zu hoch) ab einem Wert von 160/95. Systolische Werte von 121 – 140 können bereits die Gefäßwände schädigen und werden als „Vor-Bluthochdruck-Phase“ bezeichnet. Als Grenzwerthypertonie gilt ein Blutdruck ab 140/90.
Der Blutdruck schwankt belastungsabhängig. Er steigt bei körperlicher Mehrbelastung und sinkt bei Ruhe, verändert sich aber ebenso bei psychischer Belastung, z. B. im Rahmen einer akuten Stressreaktion, bei Angst oder dauerhafter bei Ärger und chronischem Stress. Bluthochdruckpatienen weisen einen erhöhten Spiegel des Stresshormons Kortisol auf und reagieren häufig bereits mit Blutdruckerhöhungen in Situationen, in welchen Menschen mit normalem Blutdruck noch keine Veränderungen aufweisen.
Niederer Blutdruck / Hypotonie
Eigentlich keine Krankheit, eher ein Zustand. Kommt es jedoch zu einer krankheitswertigen Ausprägung, sind in der Regel die Gefäße infolge einer (psycho-)vegetativen Fehlsteuerung „zu weit gestellt“. Symptome sind dann unter anderem Müdigkeit, Erschöpfung, Unlust und Schwarz-werden vor den Augen, aber auch Gereiztheit und depressive Stimmungslagen.
Bluthochdruck / Hypertonie
Bluthochdruck oder „arterielle Hypertonie“ ist die dauerhafte Erhöhung des systolischen und diastolischen Blutdrucks. Die Ursache ist in 90% der Fälle nicht bekannt und wird dann als „essentielle Hypertonie“ bezeichnet. Bluthochdruck ist sehr verbreitet, nur schwer zu erkennen und daher nur bei rund der Hälfte aller Betroffenen diagnostiziert. Bei zwei Dritteln dieser Menschen erfolgt trotzdem keine entsprechende Therapie. Einige Symptome sind: Allgemeine Unruhe und Nervosität, pochende Schläfen und pulsierende Kopfschmerzen, Schwindel – oft in Verbindung mit Ohrensausen und Flimmern vor den Augen, gerötetes Gesicht bei geringer Anstrengung, Nasenbluten, Atemnot, Herzbeschwerden.
Bluthochdruck gilt als Volkskrankheit Nr. 1 und findet sich in behandlungswürdiger Höhe nicht nur bei rund einem Viertel aller Österreicher, sondern generell bei 20 – 25% der Menschen in den westlichen Industrienationen. In der Altersgruppe der 60 – 74jährigen haben mehr als 60% der Menschen Bluthochdruck. Er ist eine Hauptursache für Arteriosklerose, Schlaganfall und Herzinfarkt. Seine „Einstellung“ erfolgt hauptsächlich durch die Verabreichung von Medikamenten. Dabei kann man neben Lebensstiländerung, Entspannung und Psychotherapie besonders durch Qigong positiv auf seinen Blut (-hoch)druck einwirken, wie sogar in kritischen Reviews (=Übersichtsartikeln) betont wird.
Qigong und Bluthochdruck
Ich möchte hier auf drei Übersichtsarbeiten eingehen. Sie sind für alle, die sich intensiver informieren wollen, zumindest als Abstract in www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/ aufrufbar.
In allen dreien wird kritsch darauf hingewiesen, daß die Untersuchungsqualität zu verbessern sei. Das heißt, es wird betont, daß es häufig nicht zu einer Verblindung kam, in einigen Untersuchungen keine Kontrollgruppen geführt wurden, es zu Auswahl-biases (systematische Fehler) und Placebo-Effekten gekommen sein könnte usw. Das trifft zum Teil zu, liegt aber – wie schon öfter angeführt – auch in der Natur der Sache und soll hier nicht zum wiederholten Mal diskutiert werden.
Mayer, M. (1999). Qigong and Hypertension: A Critique of Research. THE JOURNAL OF ALTERNATIVE AND COMPLEMENTARY MEDICINE. Volume 5, Number 4,pp. 371-382
M. Mayer (1999) untersuchte 30 relevante Studien zum Thema und ging besonders auf die Untersuchung von Kuang et al. (1991) bzw. ein Update von Wang et al. (1993) ein. Bei der Untersuchung von Kuang handelt es sich um eine Langzeitstudie über einen Verlauf von 20 Jahren, in welcher z. T drastische Unterschiede zwischen Qigongübenden und einer nicht übenden Kontrollgruppe beobachtet wurden.
Das Basisdesign bezog 204 Patienten mit Bluthochdruck mit ein, welche randomisiert (= zufällig) der Qigongübungsgruppe oder der nicht übenden Kontrollgruppe zugeordnet wurden. Beide Gruppen erhielten blutdrucksenkende Medikamente. Das Alter der Probanden spielte dabei keine Rolle. Die Qigonggruppe praktizierte Qigong über 20 Jahre mit einer Frequenz von 2×30 Minuten pro Tag.
Während der ersten zwei Monate sank der Blutdruck medikationsbedingt bei allen Patienten.
Im Verlauf der folgenden 20 Jahre stabilisierte sich der Blutdruck bei den Qigongübenden und stieg bei den Nicht-Übenden. 48% der Qigongübenden reduzierte die Dosis ihrer Medikamente, 30% dieser Gruppe konnten ihre Medikamente dauerhaft absetzen. Wang (1993) berichete im Rahmen eines 30 Jahres-follow-up an 242 Bluthochdruckpatienten (122 Qigongübende, 120 Nichtübende) eine um 15,39% reduzierte Mortalitätsrate und ein um 20,2% geringeres Auftreten von Schlaganfällen in der Gruppe der Qigongübenden (zit. n . Sancier, 1996).
Mayer berichtet in seiner Arbeit auch Studien, in welchen unter anderem Verbesserungen der Fließeigenschaften des Blutes, bessere Durchblutung, verbesserte Thrombozytenfunktion, reduzierte Triglyzeride und bessere Cholesterinwerte nachgewiesen wurden.
Lee MS, Pittler MH, Guo R, Ernst E. (2007) Qigong for Hypertension: a systematic review of randomized clinical trials. JOURNAL OF HYPERTENSION, 25 (8), pp. 1525-32
Lee et al. (2007) untersuchten ebenfalls die klinische Evidenz zu Qigong und Bluthochdruck.
Zu diesem Zweck wurden folgende Datenbanken unter verschiedener Schreibweise von „Qigong“ als Suchbegriff mit einem Eintrag bis August 2006 durchsucht:
MEDLINE, AMED, British Nursing Index, CINAHL, EMBASE, PsycInfo, sechs koreanische Datenbanken, vier chinesische Datenbanken, sowie die Qigong and Energy Medicine Database und The Cochrane Library.
Es wurden alle randomisierten klinischen Studien, welche Qigong bei Patienten mit Bluthochdruck untersuchten in die Erhebung mit einbezogen. Die methodische Qualität wurde unter Anwendung des JADAD-Score (ein Instrument zur Einschätzung der Qualität randomisierter, kontrollierter Studien durch mindestens zwei Untersucher) festgestellt.
Aus 121 in Frage kommenden Studien wurden letztlich12, welche den methodologischen Mindestanforderungen entsprachen, in diese Untersuchung eingeschlossen. In sieben dieser Studien wurde die Wirkung von Qigong in Verbindung mit blutdrucksenkenden Medikamenten versus blutdrucksenkende Medikamente alleine getestet. Die Meta-Analyse zweier dieser Studien ergab Vorteile für Qigong [weighted mean difference, systolic blood pressure (SBP) -12,1mmHg, 95% confidence interval (CI) –17,1 to 7,0; diastolic blood pressure (DBP) -8,5 mmHg, 95% CI -12,6 -4,4]. Auch im Hinblick auf (noch) nicht behandelte Patienten (waiting list control) wurde in zwei der Untersuchungen gefunden, daß Qigong den Systolischen Blutdruck signifikant senkte (weighted mean difference -18,5 mmHg, 95% CI -23,1 to -13,9). In drei weiteren Untersuchungen wurde Qigong, kombiniert mit konventioneller Therapie versus Progressive Muskelrelaxation, kombiniert mit konventioneller Therapie verglichen, sowie Qigong versus Körperübungen. In allen drei Untersuchungen ergaben sich Vorteile für die Qigongübenden.
Die Autoren kommen zu dem Schluss, daß es klare Hinweise zur Wirkung von Qigong auf Bluthochdruck gibt, zugleich fordern sie eine Verbesserung der Methodik der Untersuchungen.
Guo X, Zhou B, Nishimura T, Teramukai S, Fukushima M. (2008). Clinical effect of qigong practice on essential hypertension: a meta-analysis of randomized controlled trials. THE JOURNAL OF ALTERNATIVE AND COMPLEMENTARY MEDICINE. 14 (1), pp. 27-37 (Abstract)
Guo X et al. (2008) durchforsteten sechs Datenbanken mit Eintrag bis Juli 2006 und fanden 92 randomisierte, kontrollierte Untersuchungen zum selbständigen Üben von Qigong bei Bluthochdruck mit dem Hauptaugenmerk auf Veränderungen des systolischen und diastolischen Blutdruckes. Die gefundenen Studien wurden wie bei Lee et al. (2007) per JADAD – Skala, hier sogar mit einer weiteren Skala, im Hinblick auf ihre methodologischen Qualität eingeschätzt. Letztlich wurden neun der 92 Studien mit einer Gesamtanzahl von 908 Teilnehmern in die Analyse eingeschlossen. Die Untersucher fanden eine durchschnittliche Senkung des systolischen Bluthochdrucks um 17.03 mmHG ( 95% confidence interval (CI) 11,53-22,52) der Qigongübenden im Vergleich zu Patienten, die nichtspezifische Methoden anwandten (nonspecific intervention controls), aber keinen signifikanten Unterschied im Vergleich zu Patienten, welche Medikamente einnahmen (1,19 mmHg, 95% CI -5,40-7,79) bzw. eine andere Form von konventionellen Körperübungen ausführten (-1,51 mmHg, 95% CI -6,98-3,95).
Der diastolische Blutdruck sank bei den Qigong Übenden durchschnittlich um 9,98 mmHG (95% CI 2,55-17,41) im Vergleich zu Patienten, die nichtspezifische Methoden anwandten (nonspecific intervention controls), aber wiederum gab es keinen signifikanten Unterschied im Vergleich zu Patienten, welche Medikamente einnahmen (2,49 mmHg, 95% CI-0,16-5,13), bzw eine andere Form von konventionellen Körperübungen ausführten (-1,59 mmHg, 95% CI -4,91-1,74). Es wurden keine Nebenwirkungen gefunden.
Die Autoren kommen zu dem Schluß, dass selbständiges Üben von Qigong – bereits bei weniger als einem Jahr Anwendung – den Bluthochdruck besser senken kann als bei Patienten, die nichtspezifische Methoden anwenden, aber nicht besser senken kann als bei Anwendung von Medikamenten oder anderen Bewegungsübungen…
Auch sie fordern eine bessere methodische Qualität der Untersuchungen.
Fazit
Qigong kann, auch unter Bedingungen naturwissenschaftlich kritischer Betrachtung – was mir einer meiner Kursteilnehmer, ein emeritierter Biologieprofessor und kritischer Geist begeistert aus eigener Erfahrung bestätigte – nachweislich eine positive Wirkung auf Bluthochdruck und z. T. auch auf andere Blutwerte entfalten.
Eine, wie ich finde, gute und hoffentlich ermutigende Nachricht für die Menschen, die vielleicht schon lange nach einer Möglichkeit suchen, nicht nur mit Medikamenten, sondern (auch) im Rahmen eigenen Bemühens eine nachhaltige, gesundheitsfördernde Wirkung auf ihren Bluthochdruck erreichen zu können.
Literatur beim Verfasser