Qigong und Parkinson
Mag. Franz Wendtner
Fast jeder von uns kennt jemanden, der unter „Parkinson“, dieser recht „öffentlichen“ Krankheit, leidet. Öffentlich deshalb, weil es auf Dauer nicht möglich ist, die Symptome – allen voran ein nicht zu bändigendes Zittern – zu beherrschen. In Österreich sind ca. 20.000, weltweit annähernd 6,3 Millionen Menschen betroffen.
Die Erkrankung wurde das erste Mal wissenschaftlich vom englischen Arzt James Parkinson 1817 beschrieben, allerdings sind die Symptome bereits seit der Antike bekannt und wurden erstmals von Celsus (*25 v. Chr – † ca. 50 n. Chr) beschrieben.
Die Parkinsonsche Krankheit oder auch Schüttellähmung ist eine neurodegenerative Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS). Es kommt zu einem unaufhaltsam voranschreitenden Verlust von Dopamin (ein Botenstoff im ZNS) produzierenden Nervenzellen in der Substanzia nigra (Struktur im Mittelhirn), was letztlich zu folgenden Symptomen führt:
- Starre und/oder Zittern der Muskulatur (Rigor/Tremor)
- Verlangsamte Bewegungen bis hin zur Bewegungslosigkeit und
- Instabilität der Haltung (posturale Instabilität).
Zu den weiteren Symptomen gehört mit der Zeit häufig – aber nicht immer – eine Verlangsamung geistiger, v. a. kognitiver Prozesse (Bradyphrenie), auch die Psyche ist betroffen. Damit sind leider noch nicht alle möglichen Symptome aufgezählt. Mehr Information dazu – und zur Selbsthilfe – siehe z. B. unter: www.parkinson-sh.at.
Es gibt verschiedene Ursachen für Parkinson, am häufigsten ist die idiopathische (aus dem Griechischen: idios – selbst, pathos – Leiden). Unter anderem kann die Krankheit aber auch vererbt werden oder durch Medikamente oder Traumata (bei Boxern => Muhammad Ali) induziert werden.
Die Erkrankung beginnt meist zwischen dem 50. und 79. Lebensjahr, selten vor dem 40. Lebensjahr. Einer der prominentesten jüngeren Patienten ist Michael J. Fox (bekannt aus „Zurück in die Zukunft“).
Morbus Parkinson beginnt schleichend, oft einseitig. Die Symptome werden im Verlauf unweigerlich stärker und betreffen alle Bewegungen – auch Stehen und Gehen. Die Betroffenen werden unsicher, bekommen Angst zu fallen und beim Los – gehen kommen sie ins Trippeln. Es wird immer schwieriger, aus einer Tasse zu trinken, Suppe mit dem Löffel zu essen oder an der Kasse im Supermarkt das Geld aus der Börse zu nehmen. Stress verschärft diese Probleme noch.
Es gibt noch keine kausale (die Ursache betreffende) Möglichkeit, Parkinson zu behandeln, die Krankheit gilt als unheilbar. Allerdings ist man durchaus in der Lage, die Symptome zu kontrollieren, was in der Regel für lange Zeit ein wenig beeinträchtigtes Leben der Patienten ermöglicht.
Die Behandlung besteht hauptsächlich in der Gabe von Medikamenten, welche entweder die Dopaminausschüttung fördern oder ersetzen. Mittlerweile wird aber auch die „Deep Brain Stimulation“ (Tiefe Hirnstimulation) vermehrt eingesetzt. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, bei dem chirurgisch Elektroden ins Gehirn implantiert werden (Hirnschrittmacher).
Bevor es aber so weit kommt, gibt es Möglichkeiten zur Selbsthilfe wie rhythmische Musik – siehe auch Musik für Parkinsonpatienten ISBN 978-3-9502441-2-0, Tanzen – hier hat sich Tango nachweislich bewährt und Physiotherapie – vorwiegend bei leichten und mittleren Fällen. Hier hat sich besonders eine Einrichtung in Bad Pirawarth/NÖ bewährt – und natürlich: Qigong.
Im Folgenden wird auf die Studie von Xiao Lei Liu und Kollegen eingegangen:
Effects of Health Qigong Exercises on Relieving Symptoms of Parkinsons´ Disease, erschienen in: Evid Based Complement Alternat Med. 2016;2016:5935782. Epub 2016 Nov 7.
Diese Untersuchung ist von der Website der NCBI downloadbar: Entweder www.ncbi.nlm.nih.gov oder einfach Pubmed eingeben, Qigong in die Suchzeile eintragen, dann den Titel der Studie und lesen oder downloaden.
Studie
Das Ziel dieser Studie war es, die Wirkung von „Health Qigong“ (frei übersetzt: Gesundheits-qigong) bei Parkinson im Hinblick auf Behandlung und Reduktion der Symptome zu erforschen.
Probanden
54 Patienten mit milder oder moderater Parkinsonsymptomatik wurden randomisiert (= zufällig) in eine Qigong- und eine Kontrollgruppe aufgeteilt. Das bedeutet, sie mussten in der Lage sein selbständig zu gehen, einen normalen mentalen Status aufweisen, und fähig sein, den entsprechenden Anweisungen zu folgen. Sie durften keine „weiteren Komplikationen“ (= einschränkende andere Gesundheitsprobleme) aufweisen und mussten körperlich in der Lage sein, an den Übungen teilzunehmen.
28 Patienten – 11 Männer und 17 Frauen im Durchschnittsalter von 66 Jahren wurden in die Experimentalgruppe aufgenommen, zusätzlich zur Medikation wurden die Qigongübungen gemacht. Die Patienten der Kontrollgruppe – 14 Männer und 12 Frauen im Durchschnittsalter von 63 Jahren – erhielten nur ihre Medikamente, keine zusätzliche Intervention.
Instrumente, Durchführung
Es kamen 4 verschiedene Messinstrumente (muscle hardness, TUG-test, turn-over-jars-test, one-legged-blind-balance-test) zur Erhebung der relevanten Daten zum Einsatz. Die Intervention dauerte 10 Wochen, es waren pro Woche 5 Einheiten a´ 60 Minuten zu absolvieren. Die Qigongübungen wurden von einer der Untersucherinnen parkinsonspezifisch ausgesucht und zusammengestellt. Sie wurden nach einer Prüfung durch unabhängige Experten für angemessen erklärt und in das Programm aufgenommen. Die Daten zur Härte/Tonus der Muskulatur, auf einem Bein mit geschlossenen Augen stehen, physische Koordination und Stabilität wurden vor, während und nach der 10-wöchigen Intervention erhoben.
Statistik, Ergebnisse
Die Daten zum Vergleich der Gruppen wurden mittels ANOVA (aufwendiges statistisches Prüfverfahren) berechnet. Es zeigte sich, dass die Teilnehmer der Qigonggruppe eine signifikante Verbesserung hinsichtlich der Härte/Tonus ihrer Muskulatur, der Dauer vom Aufstehen bis zum Gehen, ebenso ihrer Balance und ihrer Hand-Auge-Koordination im signifikanten (p < 0.05) und hoch signifikanten (p < 0.01) Bereich aufwiesen.
Conclusio
Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass Qigong dazu geeignet ist, die Symptome von Parkinson bei leichtem und/oder moderatem Krankheitsstatus zu reduzieren und die körperlichen Funktionen – damit die Lebensqualität – von Patienten zu verbessern. Und darüber hinaus, dass Qigong eine effektive Behandlungsform in der Rehabilitation von Morbus Parkinson ist.
Diesem Statement kann ich mich nur anschließen – es gibt kaum einen Zustand, der nicht durch bewegtes oder stilles Qigong verbessert werden könnte. Das gilt besonders für Patienten mit chronischen Erkrankungen. Regelmäßiges Üben von Qigong kann neben einer besseren Lebensqualität eine deutliche Linderung der Symptomatik und/oder Hemmung des Fortschreitens herbeiführen.
Weiterführende Literatur
CD: Musik für Parkinsonpatienten ISBN 978-3-9502441-2-0, Franz Wendtner, Günther Bernatzky, Robert Kovar, Verlag Clara lumina
Neurosci Lett. 2004 May 6;361(1-3):4-8. Stimulating music increases motor coordination in patients afflicted with Morbus Bernatzky G1, Bernatzky P, Hesse HP, Staffen W, Ladurner G.
Evid Based Complement Alternat Med. 2016;2016:5935782. Epub 2016 Nov 7. Effects of Health Qigong Exercises on Relieving Symptoms of Parkinson’s Disease. Liu XL1, Chen S2, Wang Y3.
Parkinsonism Relat Disord. 2017 Aug;41:3-13. doi: 10.1016/j.parkreldis.2017.05.019. Epub 2017 May 25.The impact of Tai Chi and Qigong mind-body exercises on motor and non-motor function and quality of life in Parkinson’s disease: A systematic review and meta-analysis. Song R1, Grabowska W2, Park M3, Osypiuk K4, Vergara-Diaz GP5, Bonato P6, Hausdorff JM7, Fox M8, Sudarsky LR9, Macklin E10, Wayne PM11
Geriatr Gerontol Int. 2016 Aug;16(8):911-9. doi: 10.1111/ggi.12571. Epub 2015 Aug 26. Effect of health Baduanjin Qigong for mild to moderate Parkinson’s disease. Xiao CM1, Zhuang YC2.