Das erste Mal doppelblind …
Mag. Franz Wendtner
Diesmal möchte ich einen Vorschlag von Claudia Schraml aufgreifen, ein dem Qigong verwandtes Thema im Hinblick auf die von mir schon öfter strapazierte „wissenschaftliche Nachweisbarkeit“ hin zu betrachten. In diesem Beitrag soll es daher um Akupunktur, genauer gesagt, um Laser-„Nadel“-Akupunktur gehen.
Warum gerade dieses Thema?
Der gesamten Literatur, die sich mit Qi, Qigong, Meridianen und dem zugehörigen Umfeld befasst, wird immer wieder – und vom naturwissenschaftlichen Standpunkt aus leider zu Recht – eine oftmals mangelhafte Studienqualität vorgeworfen. Was einerseits sowohl im gegenwärtigen Wissenschaftsverständnis, als auch in der Natur der Sache liegt, wie ich schon früher ausgeführt habe.
Andererseits sind so jedoch auch Unschärfen und Vermutungen Tür und Tor offen gelassen.
Bis heute gibt es z. B. keinen von den Naturwissenschaften anerkannten Nachweis für die Existenz von Meridianen – wiewohl einige Autoren beanspruchen, einen solchen erbracht zu haben, z.B. per Thermografie. Sucht man in der Literatur, findet man jedoch mindestens ebenso viele verneinende wie bestätigende Studien. Und um die von der Naturwissenschaft verlangte Wiederholbarkeit von Studienergebnissen durch andere Untersucher als wesentliches Kriterium von Wissenschaftlichkeit ist es ebenfalls nicht gut bestellt. Vor allem das Fehlen einer „Verblindung“, im speziellen der „Doppelblindheit“ wird kritisiert. Dieser Begriff bedeutet, dass weder der Untersucher, noch der Proband wissen, ob gerade eine Intervention gesetzt wird oder nicht. In Pharmastudien ist das problemlos umzusetzen. Dort ist Doppelblindheit dann gegeben, wenn weder der verabreichende Arzt, noch der Proband wissen, ob die Tablette, die gerade gegeben wird, ein Verum oder eben ein Placebo ist.
In Qigong – Studien versucht man unter anderem, diesem Umstand durch den Einsatz von sogenannten „Sham–Masters“ (sham = Farce, Heuchelei) zu begegnen. Sham-Master zeigen ein Als-ob-Qigong, welches die Studienteilnehmer dann ausführen. Auf diese Weise ist zumindest ein gewisses Level von „Blindheit“ realisiert. Es zeigt sich in verschiedenen Arbeiten, dass diese Gruppen im Vergleich zu den von echten Qigong-Lehrern unterrichteten keine Wirkungen erzielen.
In Untersuchungen zur Akupunktur werden Akupunkturpunkte oder Akupunkturschemata gestochen – was dem Probanden nicht verborgen bleibt und so Einfluss auf die Studien nehmen kann.
Prof. Gerhard Litscher, Leiter der Abteilung für Biomedizintechnische Forschung in Anästhesie und Intensivmedizin, Universität Graz – Dr. Gerhard Wenzel und er haben bereits zusammengearbeitet (1) – hat nun einen Weg gefunden, in Zusammenarbeit mit Dr. Dagmar Rachbauer und Kollegen, mittels Laser-„Nadel“-Akupunktur wiederholbare und messbare Effekte auf Durchblutung und Gehirnfunktion nachzuweisen (2). Erstmals unter doppelblinden Bedingungen und damit den Anforderungen der Naturwissenschaften entsprechend.
Laut Prof. Litscher ist die Anwendung von Lasernadeln im Gegensatz zu den herkömmlichen Nadeln – weil optisch und damit nicht invasiv – völlig schmerzfrei möglich. Die nachweisbaren Effekte beider Methoden sind peripher und zentral sehr ähnlich. In der Therapie finden Lasernadeln z. B. in der Schmerztherapie Anwendung.
Für die Forschung ist relevant, dass, weil die Lasernadeln aufgeklebt und nicht gestochen werden, der Proband nicht weiß, ob und wann die Akupunkturpunkte stimuliert werden.
Ziele
Ziel der oben angeführten Untersuchung war es, im Rahmen einer randomisierten (= die Probanden werden zufällig der Untersuchungs- bzw. Kontrollgruppe zugeteilt), placebo-kontrollierten (= es wurden auch andere Regionen als Akupunkurpunkte stimuliert), doppelblinden cross-over (= erst die eine, dann die andere Bedingung) Studie spezifische Effekte der Laser-„Nadel“-Akupunktur nachzuweisen. Dazu wurden Veränderungen der Blutflussgeschwindigkeit in unterschiedlichen cerebralen Arterien und in der neuronalen Aktivität des Gehirns gemessen.
Methode
Es wurden acht Laser-„Nadeln“ an definierten Bereichen an den ProbandInnen fixiert. Die Stimulationszeit lag bei 20 Minuten.
Messmethoden
Funktionelle multidirektionale transkranielle Dopplersonografie (fTCD)
Mit dieser Methode wurde die Blutflussgeschwindigkeit in der Arteria cerebri posterior (PCA) und in der Arteria cerebri anterior (ACA) per Ultraschall gemessen.
Funktionelles Magnetresonanzimaging (fMRI)
Bei der fMRI handelt es sich um eine indirekte Darstellung neuronaler Aktivität mittels der Messung von Veränderungen regionaler Stoffwechselaktivitäten des Gehirns und der damit verbundenen Veränderung der Durchblutung. Im speziellen wurde das BOLD (blood oxigenation level dependent (= den Sauerstoffsättigungsgrad betreffend)) – Signal gemessen. Anders gesagt – es wurden die relativen Konzentrationsveränderungen von oxigeniertem und desoxigeniertem Hämoglobin erhoben.
Versuchspersonen
Es wurden nach erfolgtem schriftlichem Einverständnis insgesamt 41 ProbandInnen –
24 Frauen, 17 Männer – im Alter von 21 bis 30 Jahren mittels fTCD untersucht, sowie zusätzlich zwei der Probandinnen mit fMRI. Das Studienprotokoll wurde von der Ethikkommision der Universität Graz genehmigt.
Procedere
Im Rahmen der fCTD Untersuchungen wurden folgende Akupunkturschemata in randomisierter Reihenfolge an jeder Versuchsperson getestet:
- visuelle (das Sehen betreffende) Akupunkturfernpunkte:
Hegu (Dickdarm 4), Zusanli (Magen 36), Kunlun (Blase 60) und Zhiyin (Blase 67)
- olfaktorische (das Riechen betreffende) Akupunkturfernpunkte:
Hegu (Dickdarm 4), Pianli (Dickdarm 6) und Yingxiang (Dickdarm 20)
- ein Schema mit acht Placebopunkten.
Während der gesamten Untersuchung lagen die Teilnehmer auf einer Liege oder im Scanner.
Parameter
Erhoben wurden die simultan und kontinuierlich gemessenen Blutflussgeschwindigkeiten in der ACA und der PCA zu unterschiedlichen Messzeitpunkten. Wie die Versuchspersonen bei den fMRI – Untersuchungen waren die Probanden auch bei der fCTD Untersuchung gebeten worden, während der aktiven Untersuchungsphase die Augen geschlossen zu halten.
Der fMRI – Teil der Studie bestand aus zwölf abwechselnd aufeinanderfolgenden, je einminütigen Intervallen Ruhe/Laser-“Nadel“-Aktivierung, beginnend mit einer einminütigen Ruhebedingung.
Statistische Analysen
Die fCTD – Daten wurden varianzanalytisch ausgewertet, für die fMRI – Daten kam mit
SPM 99 eine spezielle Auswertungssoftware zum Einsatz.
Ergebnisse
Die Resultate zeigten signifikante (p<0,002) Erhöhungen der Blutflussgeschwindigkeiten in der PCA während der Laser-„Nadel“-Akupunktur an den visuellen Akupunkturfernpunkten, gleichzeitig geringe Veränderungen in der ACA. Ebenso zeigten sich signifikante (p<0,001) Zunahmen der Strömungsgeschwindigkeiten in der ACA bei der Anwendung des olfaktorischen Akupunkturschemas, verbunden mit geringen Veränderungen in der PCA.
Unter der Placebo – Bedingung kam es dagegen zu keinem Zeitpunkt zu einer signifikanten Alteration in der ACA oder der PCA.
Diskussion und Zusammenfassung
Mit Experimenten, welche u. a. spektroskopische, bioelektrische oder ultraschallbasierte Messverfahren anwenden ist es möglich geworden, Effekte von Akupunktur zu objektivieren. In der hier referierten Untersuchung konnte durch das angewandte Studiendesign erstmals eine echte Doppelblindstudie zur Anwendung von Laser-„Nadel“-Akupunktur durchgeführt werden. Es konnten unter fCTD – Bedingungen spezifische Effekte auf die cerebrale Durchblutung sowohl in der Arteria cerebri posterior (PCA) als auch in der Arteria cerebri anterior (ACA) gemessen werden. Frühere Untersuchungen hatten ähnliche Ergebnisse gezeigt (3).
Mit der Studie von Litscher et al. konnte darüber hinaus erstmals unter fMRI – Bedingungen gezeigt werden, dass es möglich ist, auch mittels Laser-„Nadel“-Akupunktur Reaktionen im visuellen und im olfaktorischen Kortex zu induzieren.
Außerdem konnte durch diese Studie gezeigt werden, dass die oben beschriebenen Reaktionen unter Placebo – Bedingungen nicht erreicht werden.
Die angeführten Ergebnisse sind laut Prof. Litscher mit Effekten, zu denen andere Autoren bei Untersuchungen gelangten, in welchen entweder konventionelle Nadel- oder auch
Elektroakupunktur zur Anwendung gekommen war, vergleichbar (4, 5).
Der Vorwurf der methodischen Schwäche kann für diese Arbeit nicht geltend gemacht werden. Die Vergleichbarkeit der gefundenen Ergebnisse mit denen anderer, unter weniger strengen Untersuchungsbedingungen zustande gekommenen beschränkt zwar die Kritik an den vielfach beschworenen methodischen Schwächen nicht, zeigt aber, dass auch Ergebnisse, welche nicht unter der Bedingung „doppelblind“ zustande gekommen sind, ihre Aussagekraft haben.
Bleibt die Forderung, weiter nach Untersuchungsnormen zu streben, die sowohl den methodischen Anforderungen der Naturwissenschaften als auch den Eigenheiten komplementärer Herangehensweisen wie z. B. der (konventionellen) Akupunktur oder Qigong entsprechen können…
Literatur
- Litscher, G., Wenzel, G., Niederwieser, G. & Schwarz, G. (2001) Effects of Qigong on brain function. Neurological Research, Vol 23, p 501-505)
- Litscher, G., Rachbauer, D., Ropele, S., Wang, L. & Schikora, D. (2004). Die schmerzfreie Laser-„Nadel“-Akupunktur moduliert die Gehirnaktivität: Erste Nachweise mit funktioneller transkranieller Dopplersonografie (fCTD) und funktionellem Magnetresonanzimaging. Schmerz und Akupunktur 1/2004, S. 4-11
- Litscher, G. (1999) High-Tech Akupunktur. Pabst Science Publishers, Lengerich Berlin Rom Wien
- Li. G., Cheung, R. T. F., Ma, Q. Y. & Yang, E. S. 2003. Visual cortical activations on fMRI upon stimulation of the vision-implicated acupoints. NeuroReport 14, p.669-673
- Bäcker, M., Hammes, M. G., Valet, M., Deppe, M., Conrad, B., Tölle, R. &Dobos. G. (2002) Different modes of manual acupuncture stimulation differentially modulate cerebral blood flow velocity, arterial blood pressure and heart rate in human subjects. Neuroscience Letters 333, p. 203 -206
Weitere Literatur beim Verfasser
Weitere Information unter www.litscher.at