Qigong und Lebensqualität bei chronischen Erkrankungen
Mag. Franz Wendtner
Gesundheit
“Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts….” .
Diese Aussage von Arthur Schopenhauer (1788-1860) gilt damals wie heute und Gesundbleiben und Wieder-gesund-werden können als ursprüngliche Motive schon in der Entstehung des Qigong im alten China angesehen werden. Man geht davon aus, daß Qigong aus schamanischen Tänzen entstand, im Rahmen derer diejenigen, die öfter daran teilnahmen, therapeutischen Nutzen hatten und es daher im Sinne der “Pflege des Lebens” weiterentwickelten.
“..Seit diesen alten Zeiten sind dem Hauptstamm des Qigong viele verschiedene Zweige der Praxis entsprossen, jeder mit einem eigenen Stil und einer eigenen Zielrichtung; doch alle schenken Gesundheit und ein langes Leben, physiologisches Gleichgewicht und emotionale Ausgeglichenheit, geistige Klarheit und spirituelle Harmonie (Reid, S. 54, 2000).
Anders interpretiert: Qigong führt zu mehr Lebensqualität.
Gesund und krank
Für viele Gesunde ist Gesundheit – und damit eine, wenn nicht DIE wesentliche Voraussetzung für eine hohe Lebensqualität – selbstverständlich und: “..Solange sie gesund sind, ist materieller Wohlstand und sozialer Aufstieg für die meisten Menschen unserer Generation oberstes Ziel….” (Wenzel, 1995, S.22)
Anders die Situation von chronisch kranken Menschen. Sie müssen mit was auch immer für einer gesundheitlichen Belastung leben und umgehen lernen, ob sie wollen oder nicht. Und im Gegensatz zur vorübergehenden Einschränkung der Befindlichkeit bei Gesunden z. B. durch Grippale Infekte, kommt es bei Menschen mit chronischen Beschwerden zu nachhaltigen Beeinträchtigungen von Befindlichkeit und Lebensvollzug – in der Regel ohne oder mit allenfalls geringer Aussicht, je wieder ganz gesund zu werden.
Lebensqualität in der Forschung
Dessen wird sich auch die Forschung mehr und mehr bewußt und so wird das Konzept “Lebensqualität” gerade bei chronischen Krankheiten immer breiter angelegt untersucht.
In diesem Zusammenhang möchte ich, da gerade Krebserkrankungen häufig chronisch verlaufen, in der vorliegenden Ausgabe unseres Periodikums kurz auf qigongbezogene Ergebnisse eines “program evaluation report” (Bewertung eines Programmes zur Hebung der Lebensqualität durch die Teilnehmer) zur Lebensqualität von Krebspatienten in Stanford, Kalifornien, USA, eingehen.
Um Krebspatienten und ihre Angehörigen bei der Bewältigung der Erkrankung zu unterstützen, wurde am CENTER FOR INTEGRATIVE MEDICINE AT STANFORD HOSPITAL AND CLINICS in Zusammenarbeit mit verschiedenen Kliniken und Universitäten ein entsprechendes Programm entwickelt, das STANFORD CANCER SUPPORTIVE CARE PROGRAM (SCSCP)
(Rosenbaum et. al., 2004).
Unterstützungsprogramm SCSCP
Das Ziel dieses seit 1999 angebotenen Unterstützungsprogrammes war und ist es, die Lebensqualität sowohl von neudiagnostizierten wie palliativen Patienten zu verbessern und die Neben- und Nachwirkungen von Krankheit und Behandlung zu reduzieren. Das geschieht im Rahmen von Unterstützung und Beratung hinsichtlich psychologischer Betreuung, Gymnastik, komplemetären und alternativen Ansätzen, Ernährung, Schmerztherapie und Fatigue (Erschöpfung, Mattigkeit). Darüberhinaus durch Information zur Krankheit und ihrer Behandlung in Vorträgen, Literatur, Multimedia, web-site und (Selbsthilfe-)Gruppen. Die Patienten haben Gelegenheit, verschiedene dieses aus elf Teilen bestehenden und speziell auf die Bedürfnisse von Krebspatienten zugeschnittenen Programmes in Anspruch zu nehmen.
Untersuchung
Zwischen Jänner 1999 und Oktober 2002 kam es im Rahmen dieses Programmes zu mehr als 10.000 Kontakten. Dabei war die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer (76%) älter als 51 Jahre, zwei Drittel davon waren Frauen.
39 % der Teilnehmer hatten bösartige Erkankungen der Brust, 16% Prostatakrebs, 16% litten an Lymphomen und/oder Leukämien, 29% hatten andere Krebsformen.
Von Jänner bis März 2002 wurden Daten zu 6846 Kontakten aus dem Zeitraum vom Februar 2001 bis Mai 2002 erhoben. Von letztlich 1183 Patientenbesuchen konnten Daten gewonnen werden. Mehrfachnennungen waren möglich, d. h. die Patienten konnten parallel mehrere Angebote nützen, es wurde nicht objektiv die unterschiedliche Wirkung der einzelnen Module untersucht, sondern die Häufigkeit der Besuche und die subjektive Bewertung der einzelnen Teilprogramme durch die Teilnehmer erhoben.
Von den vorliegenden Datensätzen wurden, weil nicht vollständig, 785 ausgeschieden, die verbleibenben 398 Ergebnisse kamen zur Auswertung.
Es wurden Visuelle Analog Skalen (VAS) mit der Möglichkeit, Werte von 0-5 bzw. 0-10 zur Einschätzung anzugeben, verwendet. Dabei war mit 0 der niedrigste, mit 5 bzw. 10 der beste Wert anzugeben.
Im Rahmen der komplementären/alternativen Ansätze (Yoga, Qigong, Healing Imagery) kam auch Qigong zur Anwendung. Die Teilnehmer erlernten einfache Techniken (“… patients learned a number of simple techniques that could be performed from sitting, standing or moving positions…”(p.9)) und sollten jegliche Veränderung in Bezug auf Stress, Schmerz, Energie,Wohlergehen und Schlafqualität einschätzen.
Das Programm fand im wöchentlichen Rhythmus statt und wurde mit Patienten, die sich während des Untersuchungszeitraumes in Behandlung befanden, durchgeführt. Es wurde nicht erhoben, wer wie oft woran teilnahm.
Ergebnisse
Die Ergebnisse zeigten eine leichte Verbesserung bei Schmerzen und eine beträchtliche Verbesserung hinsichtlich der Lebensqualität.
Es kam im 16-monatigen Beobachtungszeitraum zu 751 Patientenkontakten, also durchschnittlich
47 pro Monat. Von den 334 Patienten, die das Qigong beurteilten, gaben 78% eine Stressverminderung an, 74% eine Verbesserung ihres Wohlergehens, 58% einen Anstieg ihres Energie-Levels und 22% der Teilnehmer berichteten eine Schmerzreduktion.
Diskussion
Diese Ergebnisse sprechen für einen deutlichen Zugewinn an Lebensqualität bei in Behandlung befindlichen Krebspatienten durch Qigong. Allerdings kann infolge des Designs der Untersuchung nicht mit Bestimmtheit gesagt werden, daß dieser Zugewinn an Lebensqualität auschließlich durch Qigong herbeigeführt wurde, da die Patienten auch an anderen, hier nicht diskutierten Teilprogrammen teilgenommen haben konnten.
So ist, wissenschaftlich gesehen, dieses Ergebnis eher als Ausdruck subjektiver Wahrnehmung der Teilnehmer anzusehen, denn als “hartes” Faktum.
Aber sogenannte “harte Fakten” sind weder in der Lebensqualitätsforschung, noch im Qigong einfach zu erlangen.
Fakt allerdings ist: Lebensqualität wird subjektiv erlebt.
Und gerade Qigong kann dazu beitragen die Lebensqualität zu heben, wie übende Patienten berichten oder wie Dr. Gerhard Wenzel es formulierte: “…Und plötzlich ist es umgekehrt! Der Mensch kommt in Einklang mit sich selbst und die Krankheit hat nimmer diese drohende Macht über ihn…” (Wenzel, 2002).
Krank-sein oder gesund-sein, wieder gesund werden oder gesund bleiben – Qigong ist ein Weg zu mehr Lebensqualität.
Literaturhinweise
Rosenbaum, E., Gautier, H., Fobair, P., Neri, E., Festa, B., Hawn, M., Andrews, A., Hirshberger, N., Selim, S. &Spiegel. D. (2004). Cancer supportive care, improving the quality of life for cancer patients. A program evaluation report. Springer Verlag.
Mail Ernest Rosenbaum:
Reid, D. (2000). Chi-Gung. Econ Ullstein List Verlag, München. ISBN 3-612-18015-0
Wenzel, G. (1995). Qigong – Quelle der der Lebenskraft. Edition Tau, Nachdruck über die ÖQGG zu beziehen
Wenzel, G. “(2002). Vortrag im Wilhelminenspital “Qigong und die Diagnose Krebs” . Mitschnitt des Vortrages auf CD bei der ÖQGG zu beziehen
Mehr Info zu Quality of life unter www.ncbi.nih.gov – pubmed anklicken, Suchbegriff eingeben
Bücher:
AKUPRESSUR: (ISBN 3-7742-6377-9), 2004, Franz Wagner, Gräfe und Unzer Verlag GmbH, München.
Klein für die Jackentasche, um Beschwerden von Angst bis Zahnschmerzen zu lindern.
Für alle, die Gerhard Lugers Empfehlungen schätzen und denen das Format unseres Periodikums für unterwegs zu groß ist …
GEHEIMNIS DER GOLDENEN BLÜTE. (ISBN 3-424-00874-5), 2000, C. G. Jung, Richard Wilhelm. Diederichs Gelbe Reihe, Hugendubel, München.
Erstmals 1929 erschienen, mehrfach überarbeitet, liegt in dieser Ausgabe erstmals der vollständige Text der “Goldenen Blüte” vor und ist direkt aus dem Chinesischen übersetzt.
Mit einer Einführung von C. G. Jung, Texten und Erläuterungen von Richard Wilhelm und ergänzenden Übersetzungen von Barbara Hendrischke